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Hester Pommerening

Demokratie leben

Wie begegnen wir dem Strom faschistischer Tendenzen, Angst und Hass in aktiver Hoffnung und kreativem Widerstand?

January 25, 2025
Demokratie leben

Das Jahr 2025 ist nichtmal einen Monat alt und die Weltpolitik brodelt gewaltig - so fühlt es sich zumindest an. In Deutschland sind es wenige Wochen bis zur nächsten Bundestagswahl und der Geist des rechten Extremismus, der sich von Angst, Hass und Spaltung nährt, verbirgt sich nicht länger hinter einer dichten Kapuze, sondern poltert offen durch unsere winterlichen Straßen. Und das angesichts der enormen sozial-ökologischen Herausforderungen unserer Zeit, denen wir nur in starken und vielfältigen Gesellschaften entgegentreten können. Die Bedrohungen scheinen kaum aushaltbar. Auch wir im Team fragen uns: Was können wir tun?

Wie kommen wir in hoffnungsstiftendes Handeln, um unsere Demokratien zu schützen und zu stärken?

Wir haben uns dafür von verschiedenen Menschen inspirieren lassen, zum Beispiel von Lakoff und Duran, die zum Jahreswechsel gute Vorsätze aufgestellt haben ("Keep Democracy Alive"), oder Macy und Johnstone (Zu Joanna Macys Arbeit geht es hier).

Letzteren folgend wollen wir unsere Idee von Aktivismus erweitern. Produktives politisches Handeln durch Kampagnen und Demos ist wichtiger denn je. Aber auch eine bestimmte Haltung kann wirkungsvolle Kraft in den feinen Fasern unseres Zusammenlebens entwickeln.

Hier kommen einige konkrete Vorschläge:

1) Schmerz anerkennen, Emotionen Raum geben

  • Ein offenes, gütig mitfühlendes Herz, das vom Leid anderer Wesen angerührt ist, ist eine Stärke. So sehen es auch große Weltreligionen wie der Buddhismus oder das Christentum. Unseren Kummer und Schmerz anzuerkennen, wertschätzt unsere eigenen Emotionen, lässt uns in Verbindung mit uns selbst bleiben und hilft uns dabei, nicht zynisch zu werden. Gerade, wenn wir einen souveränen Umgang mit der eigenen Unsicherheit und dem eigenen Kummer vorleben und kultivieren können, ist das ein wichtiger Gegensatz zu Hass und Abstumpfung.
  • Um nicht von den eigenen Emotionen überwältigt zu werden, findet regelmäßig Räume, in denen ihr sicher spüren könnt: In der Meditation, in der Gemeinschaft, in der Stille und Langsamkeit - siehe auch Punkt 2!
Joanna Macy schreibt: "Like living cells in a larger body, it is natural that we feel the trauma of our world. So don’t be afraid of the anguish you feel, or the anger or fear, for these responses arise from the depth of your caring and the truth of your interconnectedness with all beings. (…) Out of this darkness a new world can arise, not to be constructed by our minds so much as to emerge from our dreams."

2) Kraftquellen finden und nähren

  • Der Impuls mag aktuell besonders stark sein: Sich dem Informationsstrom entziehen, in das Private flüchten - dorthin, wo das Leben kontrollierbarer erscheint. Oder vielleicht nur: Greifbarer. Gerade jetzt, im Winter, erinnert uns die Natur daran, wie wichtig es tatsächlich ist, sich zurückzuziehen und Kräfte zu sammeln. "Selbstfürsorge“ ist deshalb nicht nur ein persönliches Wohlfühlkonzept, sondern auch eine politische Haltung. Wenn wir uns um uns selbst kümmern, sind wir besser in der Lage, für andere und für eine gerechtere Gesellschaft einzutreten.
  • Frage dich: Was sind deine ganz persönlichen Kraftquellen, in die du dich zum Innehalten, zum Spüren, zum Aufladen regelmäßig für eine Weile zurückziehen kannst? Das können etwa meditative Praktiken sein, die uns im Hier und Jetzt verankern, Yoga, einfache Atemübungen, Qi Gong. Auch regelmäßige Rituale, wie zum Beispiel Tage der Stille oder digitale Auszeiten, ermöglichen uns, das innere Gleichgewicht zu stabilisieren, sodass wir langfristig aktiv bleiben können, ohne uns auszubrennen. Es kann aber auch die Begegnung mit Tieren sein, oder ein besonderer Ort, Geruch, Geschmack, der dich ganz individuell nährt.
  • Wir wissen das eigentlich, aber eine kleine Extra-Erlaubnis tut manchmal wahre Wunder: Verbinde dich regelmäßig mit der Natur, die uns gerade im Winter zur Stille und Langsamkeit, zum Innehalten und Ausruhen einlädt. Mache Spaziergänge durch Wälder und Parks, schlafe so viel wie gerade nötig, achte auf eine Ernährung, die das Immunsystem stärkt. Gönne dir Pausen.

3) Menschliche Verbindungen stärken

  • Wer sind die Menschen, mit denen du ganz du selbst sein kannst, die dein Nervensystem beruhigen und die Freude und Humor in dein Leben bringen? Wer sind die Menschen, die deine Werte teilen - und sich vielleicht ebenfalls gerade ratlos und ohnmächtig fühlen? Verbindet euch!
  • Autoritäre Gruppierungen, Bewegungen und Regime isolieren Menschen unter anderem dadurch, dass sie Angst und Misstrauen schüren. Für uns gilt deshalb: Jede menschliche Beziehung, die wir stärken können - zu Nachbarn, Freund:Innen, Kolleg:Innen - stärkt die Demokratie. Lasst uns Wege finden, um uns über politische Differenzen hinweg zu verbinden und das Gefüge unserer direkten Gemeinschaft zu stärken.
  • Auch die Deradikalisierungsforschung zeigt, welch wichtige Rolle ein liebevolles soziales Netz beim Ausstieg aus radikalen Gruppen spielt. Falls du Personen in deinem Umkreis hast, die sich gerade radikalisieren: Natürlich ist es wichtig, Grenzen zu ziehen. Und gleichzeitig gut zu wissen: Es sind nicht logische Argumente, Faktenchecks oder Belehrungen, die das Tor zurück in die Welt sind - sondern tragfähige menschliche Beziehungen und die Entscheidung gegen persönliche Bewertungen. Ein Autor, den wir dazu empfehlen können, ist Daniel Köhler.

4) Bilde dich politisch

  • Demokratisches Handeln beginnt mit einem grundlegenden Verständnis von Politik und demokratischen Prozessen. Sie hilft uns zu verstehen, wie politische Entscheidungen getroffen werden, welche Institutionen und Akteure beteiligt sind und wie wir als Bürger:innen Einfluss nehmen können.
  • Informiere dich über politische Strukturen: Lerne, wie Parlamente, Regierungen und andere politische Institutionen arbeiten. Verstehe den Unterschied zwischen Exekutive, Legislative und Judikative sowie die Rolle der Parteien.
  • Besuche Websites der Parteien, lies Wahlprogramme, schau Interviews und recherchiere Primärquellen - und hinterfrage selbst kritisch, statt Thesen und Zusammenfassungen fremder Menschen auf Social Media blind zu glauben.
  • Richte dich mit Fragen an Menschen, denen du vertraust, trete in den Austausch, sei offen für andere Meinungen und Perspektiven, höre zu - nur so entwickeln wir uns weiter und schärfen unsere eigene Position.

5) Bürgerrechte wahrnehmen: Wählen, Protestieren, politisch aktiv werden

  • Demokratie lebt von aktiver Teilhabe. Auch wenn die zur Auswahl stehenden Parteien dir nicht hundertprozentig entsprechen, ist es gerade wichtig, demokratische Kandidat:Innen oder Parteien zu unterstützen, die sich für Vielfalt und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Beim Wählen gilt: Protest ist für die Straße gedacht, nicht für die Wahlurne - und Nichtwählen stärkt immer die radikalen Kräfte!
  • Nimm an Demonstrationen und Protesten teil, die für Demokratie, Menschenrechte und die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit eintreten. Wir sind mehr!
  • Kontaktiere deine Politiker:innen: Schreib Briefe, E-Mails oder rufe an, um deine Anliegen direkt bei den Entscheidungsträgern anzubringen. Politiker:innen müssen wissen, was die Bürger:innen bewegt, um ihre Arbeit entsprechend auszurichten.
  • Politische Aktivität geht über Wahlen und Proteste hinaus. Engagiere dich in lokalen Bürgerinitiativen, die sich gegen Rassismus, Antisemitismus oder Diskriminierung stark machen, oder tritt einer Partei oder einer NGO bei, die sich für die Themen stark macht, die dir am Herzen liegen. Politisch aktiv zu sein bedeutet auch, Einfluss auf die Entscheidungen vor Ort zu nehmen und regelmäßig die eigene Stimme zu erheben.

6) Soziale Medien verantwortungsvoll nutzen

  • Die Verbreitung von Hass und falschen Informationen ist besonders in den kommerziellen sozialen Medien eine große Herausforderung. Social Media nehmen heutzutage nicht nur unsere Psyche durch gezielt eingesetzte Belohnungsstrategien und Suchtmechanismen in Beschlag, sondern tragen auch zur Bildung von „Filterblasen“ bei und unterlaufen so schon lange demokratischen Diskurs mit vielfältigen Meinungen. Private US-Plattformen wie Instagram, Facebook (oder auch X) gehören zudem extremreichen Männern, die mittlerweile offen eine menschen- und lebensfeindliche Politik unterstützen.
  • Die Frage, inwieweit wir diese Plattformen weiterhin nutzen wollen, ist durchaus berechtigt.
  • Falls wir uns dafür entscheiden, vorerst auf Plattformen wie Instagram zu bleiben und die Kapazität haben, können wir uns dort für den respektvollen Umgang im Internet stark machen und aktiv gegen Hassrede auftreten. Auf Desinformation können wir kritisch, aber respektvoll und sachlich reagieren und anderen so beispielhaft einen anderen Umgang vorleben und sie zu fundierten Quellen und Perspektiven führen. Wir selbst sollten vor dem Teilen von Content immer hinterfragen, wer und welche Intention hinter einem Beitrag steht.

7) Unabhängige und investigative Informationsquellen unterstützen

  • Demokratie lebt von einer aktiven, informierten Bevölkerung. Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, Fakten von Fehlinformationen zu unterscheiden, verlieren wir die Fähigkeit, uns eine fundierte politische Meinung zu bilden und die richtigen Entscheidungen für die Gesellschaft zu treffen. Hannah Arendt schrieb dazu: "Ein Volk, das nicht mehr zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden kann, kann auch nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden. Und ein solches Volk, das sich seiner Macht, zu denken und zu urteilen, beraubt sieht, ist auch, ohne zu wissen und zu wollen, dem Gesetz der Lüge vollständig unterworfen.“
  • Unabhängige Medien stellen sicher, dass die Stimmen der Unterdrückten gehört werden und Missstände gesehen werden. Heißt: Es liegt in unserer Verantwortung, auch darüber informiert zu sein, wer hinter welchen Verlagen, Medienhäusern und Informationen steht.

Lasst uns gemeinsam laut, stark und aktiv sein - für eine mutige, offene und mitfühlende Gesellschaft, die ihre Stärke in der Vielfalt findet und klare Grenzen gegen Hass, Angst und menschenverachtende Politik setzt!

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