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Hester Pommerening

“Feelings are neither good nor bad - they want to tell us something”

Interview with John Lack on the principles of non violent communication and his new book for children on emotions and needs (in german)

December 12, 2023
“Feelings are neither good nor bad - they want to tell us something”

Wie können wir authentische und gesunde Beziehungen leben? John Lack ist langjähriger Trainer für Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftlichen Kulturwandel. In seinen Workshops zu Gewaltfreier Kommunikation (GFK) unterstützt er Menschen dabei, sich selbst in ihren Emotionen und Bedürfnissen besser zu verstehen und ermutigt zu einem aufrichtigen Austausch miteinander. Gerade hat er ein Kinderbuch zum Thema veröffentlicht: “Lara und die Wunschwesen” Im Interview erzählt er, was in unserer alltäglichen Kommunikation oft schief läuft, was jede*r von den Prinzipien der GFK - gerade auch in der Weihnachtszeit - lernen kann, und warum eine mitfühlendere Gesellschaft bei den Kleinsten beginnt, aber auch eine Transformation der großen Strukturen benötigt.

John, was ist in unserer alltäglichen Kommunikation „gewaltvoll“?

Gewalt ist natürlich ein großes Wort, dabei geht es oft um die kleinen Dinge, die einem gar nicht direkt auffallen: Bewertungen, Urteile, Verallgemeinerungen. In unserer alltäglichen Kommunikation gibt es ganz viele Elemente, die gewaltvoll sind.

Es sind also nicht nur Beleidigungen oder etwa lautes Herumschreien gemeint?

Gewaltvolle Kommunikation fängt dann an, wenn wir andere verantwortlich machen für unser eigenes Erleben: “Du bist unfähig”, “Du hörst mir nicht zu” oder “Ständig machst du dies und das.” Ganz oft werden auch Annahmen als gewaltvoll empfunden: “Du weißt doch, was mir gut tut, und jetzt verhalte dich auch so.” Oder wenn wir interpretieren: “Ich fühle mich von dir hintergangen.”

Wie entsteht solche Sprache denn? Was hindert uns daran, mit Mitgefühl, Respekt und Verständnis miteinander in Beziehung zu treten?

Unbewusstheit und vor allem Unsicherheit. Wir sind gesellschaftlich so geprägt, dass wir uns und andere eher schlecht machen und auf Angriff gehen - statt uns wirklich offen und ehrlich mitzuteilen. Denn das ist durchaus ein sehr verletzlicher Schritt, zu sagen “Ich bin traurig und wünsche mir Verbindung” oder “Ich bin verwirrt und wünsche mir Klarheit” oder auch “Ich bin sauer und wünsche mir Respekt”.

Klingt auf jeden Fall ungewohnt direkt und emotional.

Ja, wir haben es nicht gelernt, uns so zu zeigen und so zu sprechen. Und natürlich müssen wir dafür mit unseren Emotionen und Bedürfnissen auch erstmal in Verbindung gehen und sie kennen.

Du hast gerade ein Buch für Kinder zwischen drei und acht Jahren zu dem Thema veröffentlicht: „Lara und die Wunschwesen“ - eine wunderschöne Einladung zur Selbstreflexion und persönlichen Entwicklung, die den Zusammenhang zwischen Gefühlen und Bedürfnissen einfach und verständlich beschreibt.

Danke!

Was hat dich dazu inspiriert, es zu schreiben?

Eine Familienfeier. Die kleine Lara, die gibt es sozusagen auch in echt, war auch auf dieser Feier. Und ihr Patenonkel. Der konnte vermutlich einige traumatische Erlebnisse in seiner Kindheit nie aufarbeiten, er ist jedenfalls sehr cholerisch und schreit schnell rum. Es gab dann einen kleinen Auslöser, wodurch genau das passiert ist: Er hat laut herumgeschrien – und ich habe die kleine Lara gesehen und gedacht: Ich hoffe, dass sie das nicht persönlich nimmt! Und ich wünsche mir so sehr, dass sie möglichst früh verstehen kann, dass seine Gefühle etwas mit seinen Bedürfnissen - und vermutlich auch mit seinen Traumata - zu tun haben - und nicht mit ihr. Sie ist nicht Schuld, dass er jetzt rumschreit.

In deinem Buch sind es dann die geheimnisvollen Wunschwesen, die unsere Bedürfnisse repräsentieren und uns Emotionen schicken, um sich mitzuteilen.

Ja, die Lara im Buch lernt verschiedene Wunschwesen in sich kennen - und weil sie nach und nach auch ihre Sprache verstehen lernt, sind sie irgendwann auch gar nicht mehr so geheimnisvoll!

Kannst du genauer erläutern, was dahinter steht? Das klingt, als könnten auch Erwachsene einiges lernen…

Stimmt. Ich setze das Prinzip selbst tatsächlich die ganze Zeit ein - vor allem, um mich selbst zu verstehen. Auch und vor allem Erwachsenen fällt es oft schwer, den Zusammenhang zwischen Gefühlen und Bedürfnissen herzustellen. Wir neigen dazu, Gefühle zu bewerten oder gar zu unterdrücken. Gefühle sind aber weder gut noch schlecht, sondern haben eine Funktion - sie verweisen auf Bedürfnisse, die universell sind und die jeder Mensch hat.

Inwiefern universell? Wenn ich zum Beispiel eine Zigarette rauchen will, dann ist das doch kein universelles Bedürfnis?

Nein. Das ist eine Strategie - hinter der aber ein universelles Bedürfnis steht. Ich habe nicht das Bedürfnis, eine Zigarette zu rauchen, sondern zum Beispiel das Bedürfnis nach Entspannung. Und um das zu befriedigen, wähle ich die Strategie, eine Zigarette zu rauchen. Ebenso wenig bin ich zum Beispiel traurig, weil es regnet. Sondern: Ich bin traurig, weil ich ein Bedürfnis nach Verbindung habe, und wegen des Regens fällt die Gartenparty, die ich geplant hatte, ins Wasser - sodass dieses Bedürfnis nicht erfüllt werden kann.

Wir haben nun über Gefühle und Bedürfnisse gesprochen und wie wichtig es ist, diese offen mitzuteilen. Zur Gewaltfreien Kommunikation gehören aber noch zwei weitere Schritte, um in einer Konfliktsituation möglichst konstruktiv zu kommunizieren.

Ich nenne das gerne die vier Zutaten, die Reihenfolge ist dabei nämlich gar nicht so entscheidend: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte.

Kannst du beschreiben, wie man diese vier Zutaten anwendet?

Die Beobachtung ist das Fundament oder die Ausgangssituation: Ein neutraler Fakt, dem wir beide zustimmen können.

Beobachtung statt Bewertung.

Ja. Diese Unterscheidung ist ein ganz wichtiger Schlüssel! Es macht einen großen Unterschied, ob ich sage: “Hier ist es unordentlich” oder “Auf dem Boden liegen drei Socken” - das ist noch kein Streitpunkt, sondern ein Fakt, dem beide Parteien zustimmen können.

Und dann?

Dann teilen wir uns ehrlich und aufrichtig mit und sagen dem Gegenüber, wie wir uns gerade fühlen. Wie gesagt haben Gefühle eine Funktion und zeigen, ob unsere Bedürfnisse erfüllt sind oder nicht. Die GFK ist eine bedürfnisorientierte Form der Kommunikation. Das heißt, wir schauen auch, welche Bedürfnisse dem Ganzen zugrunde liegen. Verbindung, Entspannung, Erholung, Liebe, Verwirklichung, Sinn, Austausch, Kreativität… Die GFK ist weniger eine Methode als eine Haltung oder Weltanschauung, in der wir uns als Menschen in dem begegnen, was uns allen gemeinsam ist.

Und wie formuliere ich dann den Wunsch, der daraus resultiert?

Bitten in der GFK sind positiv, konkret, erfüllbar und verhandelbar. Es geht nicht um Forderungen und sie sind auch nicht abstrakt, also sowas wie “Sei mal ehrlicher.” Wir formulieren so, dass die andere Person Ja oder Nein sagen kann - und gehen davon aus, dass Menschen gerne zu unserem Wohlergehen beitragen, wenn es auf freiwilliger Basis passiert.

An dieser Stelle noch einmal zurück zur Familienfeier: Weihnachten steht derzeit in allen christlich geprägten Ländern vor der Tür, aktuell ist Chanukka. Gerade an solchen Festen knallt es oft verbal daheim - ausgerechnet. Hast du eine Idee, woran das liegt - und einen Tipp, wie man besser mit Konfliktpotential an solchen Feiertagen umgehen kann?

Meine Vermutung ist: Eigentlich haben viele dasselbe Bedürfnis nach Leichtigkeit, Entspannung, Wertschätzung und Gemeinschaft, gerade in dieser Zeit. Und aus Tradition oder Gewohnheit wählen wir dann bestimmte Strategien, um diese Bedürfnisse zu befriedigen, die dazu gar nicht unbedingt geeignet sind. Geschenke schenken, zum Beispiel, oder die Vorbereitung eines aufwendigen Festessens. Dann stresst man sich bis zur letzten Sekunde mit dem Einkauf oder dem Kochen und will es besonders gut machen - weil sich das “so gehört” - und das, was eigentlich dahinter steht, gerät aus dem Blick.

Und das Familienfest zerbricht an den Erwartungen. Wie verhindere ich das?

Ein großes Geschenk, das wir anderen - und uns selbst - dieses Jahr machen könnten: Uns klar werden, was denn ein wahrhaftiger Wunsch für dieses Fest ist, diesen klar kommunizieren und auch verschiedene Strategien dazu anbieten. Das könnte zum Beispiel sein: “Ich wünsche mir Leichtigkeit und Gemeinschaft, deshalb lasst uns dieses Jahr doch vielleicht nicht so lange in der Küche stehen, sondern eine weniger aufwendige Mahlzeit essen und dafür mehr gemeinsames Spielen einplanen.”

Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation entstand ja bereits in den 60er Jahren, entwickelt von Marshall Rosenberg. Warum sind wir seitdem nicht kollektiv in einen mitfühlenderen Umgang miteinander eingetreten?

Eine große Frage. Das liegt aus meiner Sicht an ganz vielen Faktoren. Unsere Gesellschaft ist geprägt von Wettbewerb, Gegeneinander, Macht, Recht und Unrecht. Dieses Denken, das nicht unbedingt auf Mitgefühl und Verständnis ausgelegt ist, ist tief in unsere Strukturen und verschiedensten Institutionen integriert - Wirtschaft, Bildung, Rechtssystem. Aber ich hoffe, dass wir jetzt an einem Punkt sind, an dem wir das kollektiv ändern können. Zu einer Transformation in dieser Hinsicht beitragen können. Und mein Buch ist ein Ausdruck des Wunsches, dazu beitragen zu können - zu einem mitfühlenden Umgang miteinander.

Teilweise scheint unsere Gesellschaft enthemmter denn je in der Art, wie sie miteinander kommuniziert.

Das beobachte ich leider auch. Ich vermute, da drunter liegt ganz viel Unsicherheit und Angst und Sorge, die vielleicht den Wunsch nach Perspektive zeigt, nach Klarheit, Struktur, Sicherheit, Miteinander und Sinn. Da könnte GFK auf jeden Fall helfen, diesen Bedürfnissen auf den Grund zu gehen. Ich hoffe und glaube, dass sich die Prinzipien der GFK noch mehr verbreiten können. Weil ich auch sehe, dass es gleichzeitig mehr und mehr Menschen wichtig ist, einen mitfühlenden und achtsamen Umgang miteinander zu pflegen.

Wie sieht für dich denn eine wünschenswerte Gesellschaft der Zukunft aus?

Im Kern so, dass wir verstanden haben, dass wir alle miteinander in Verbindung stehen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die bedürfnisorientiert lebt und kommuniziert, sich gegenseitig unterstützt, kooperativ handelt und den achtsamen Umgang miteinander fördert.

Hast du eigentlich schon Feedback bekommen von den ersten Leserinnen und Lesern deines Buchs?

Ich habe richtig schönes Feedback bekommen, ja! Von Kindern zwischen 5 und 8 Jahren, die mir total süß geschrieben haben, was sie aus dem Buch mitnehmen, wie sie das Gelernte im Alltag auch anwenden können, welches der Wunschwesen sie am liebsten mögen. Und von Eltern, die sich sehr darüber gefreut haben, so ein leicht verständliches Format zu haben, für die Kinder, aber auch für sich selbst. Eltern, die sich selbst mit ganz viel Wohlwollen und Mitgefühl begegnen, können aus dieser Haltung auch viel leichter ihren Kindern mit ganz viel Liebe begegnen.

Wie ist das für dich?

Mein Herz schmilzt dahin! Es ist so schön. Ich bin total berührt von dem Feedback, echt zu Freudentränen gerührt! Und es gibt mir große Hoffnung.

Danke dir für das tolle Gespräch!

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John Lack ist Facilitator für gesellschaftlichen Kulturwandel und Persönlichkeitsentwicklung. Er arbeitet als Trainer bei der School of Life, ist Berater bei Wevolve und Ausbildungsleiter an der Akademie für Transformationsdesign. 2023 war Johns Workshop zu Gewaltfreier Kommunikation Teil des Pura Vida Festival Retreat Programms und als festes Team-Mitglied bietet er sein Wissen auch in internen Weiterbildungen an, damit unsere gemeinsame Arbeit stets von einem friedlichen und zielführenden Austausch geprägt ist. Mit seiner Arbeit setzt John sich für eine Welt ein, die auf den Säulen einer bedürfnisorientierten und gewaltfreien Kommunikation beruht. Seit vielen Jahren ist er mit seinem Engagement festes Mitglied in der GFK-Community. Sein Buch “Lara und die Wunschwesen” gibt es seit diesem Monat im Handel.

Johns Website: https://www.john-lack.de/

John Lack - Lara und die Wunschwesen:

https://www.john-lack.de/product-page/lara-und-die-wunschwesen

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